Kein Sex mit Nazis

Kein Sex mit Nazis lese ich auf dem Plakat, das meine queer-aggressive Freundin in der verschlafenen Neuköllner Finowstraße an einen Baum lehnt, direkt auf dem grünen Mittelstreifen gegenüber einem Dreißiger-Jahre-Viergeschosser. Allerdings ist kein Nazi weit und breit zu sehen, gegen den es zu demonstrieren gilt. „Eben, die sind nicht erkennbar – wie HIV unter der Nachweisgrenze. Nur mit dem Unterschied, dass die AfD-Pisser ihr braunes Gift still weiter verspritzen. In MEINER Szene!!“

Ja, Szenen sind Berlinern heilig, sie bieten Schutzraum vor vermeintlichen Antagonisten. Die junge Queer-Szene in Berlin trägt ihre Offenheit, ihren Antirassismus und ihre Gender-Diversität stolzbrüstig vor sich her, und hat wenig Sympathie für privilegierte Biodeutsche, die sich in den erkämpften Homo-Schutzraum eingerichtet haben und konservativ wählen: Etwa geistig-faule Chauvinisten wie Thomas de Jesus Fernandes oder Spitzenkandidatin Alice Weidel, die es zu Ruf und Schande gebracht haben als homosexuelle Gesichter der AfD.

Ich kenne den, der den Fensterblick auf das Plakat wenig genießen wird, kaum. Jung, gebildet, schön, ein blonder Weltenbummler aus guten Hause, die Jüdin Hilde Domin auf dem Nachttisch, einen israelischen Schwuli neben sich im Bett. Und eben diesem nichteuropäischen, dunkelhäutigen, homosexuellen Nahostler gilt der Weckruf auf Pappe – „Kein Sex mit Nazis“ – und er soll erhört werden, wenn auch nicht an jenem Abend. Noch werden Ohren und Hirn noch ausgestellt, und weiter gebumst.

Erst Wochen später später wird sich der HJ-Schönling offenbaren: Mauern gegen die Barbaren seien unvermeidlich! Schwulenrechte hintenanzustellen aufgrund der bevorstehenden Umvolkung! Und überhaupt: „Willst du in Deutschland eine Scharia?“ Endlich sollte der freundschaftliche Protest Früchte tragen, die Plakat-Aktion, der gemeinsame Theaterbesuch des AfD-Proteststückes FEAR in der Schaubühne, zähe redundante Diskussionen bis tief in die Nacht – und endlich wird dem Israeli, dem ganzen Stolz seines Holocaust überlebenden Großvaters, angesichts seines völkischen Liebhabers spuckeübel.

Mit dem Ende ihrer Romanze endet auch der Aktionismus besagter Freundin, was das heimliche AfD-Mitglied sicherlich aufatmen lässt. Das letzte, was seinem blütenweißen Lebenslauf fehlen würde, wäre *sein Name* plus *AfD* als Google-Suchergebnis. Er baut auf die Diskretion seiner Familie und Freunde, ihn vor Konfrontation zu schützen. Es werden alle dichthalten, nur der Heldin dieser Anekdote, meiner antifaschistischen Freundin, der juckt es noch immer in den Fingern.


Text: Buffalo Meus
Bild: Jan Voß (von WeitWegOutOfSpace)

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