„Jedes Reich, das in sich gespalten ist, geht zugrunde.“
(Matthäus 12,25)
Der Kontinent lag noch in Weltkriegstrümmern, als 1948 ein neues Europa erdacht wurde: Ein föderaler Staatenbund, der Frieden, Demokratie und Solidarität untereinander sichern sollte. Eine große Idee, die die Gleichheit und Freiheit aller Nationen hütet.
Siebzig Jahre später umgibt Europa ein Stimmengewirr aus Empörung, Wut und Ohnmacht: Der supranationale Staatenverbund sieht sich heute einem zersetzenden Nationalismus gegenüber. Gewalttätige Proteste stellen die friedliche Einheit infrage, während autokratische Bestrebungen die Demokratie aushöhlen. Die Austeritätspolitik bestraft die Menschen mit Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen – und lässt Solidarität selten spüren.
Als Vater der Europäischen Bewegung forderte Winston Churchill einst die Gleichheit der Nationen – heute verwaltet Theresa May den Brexit. Ein grenzenloser Kontinent ermöglicht über 500 Millionen eine Freiheit, die lautstarke Rechtspopulisten einschränken wollen. Keine Bankenkrise könnte destabilisierender wirken als der Vertrauensverlust in die europäische Idee.
Doch Europa ist mehr als ein Kostenfaktor, mehr als eine Räuberhöhle: Europa ist eine Utopie, die uns seit Jahrzehnten den Tisch reich deckt. Und während sich die Jünger darüber streiten, wie alles nur so schrecklich werden konnte, mahnt Europa hoffnungsvoll und warnend: Ihr habt mich ausgedacht, und verzweifelt? Dann denkt mich weiter! Schafft einen neuen Mythos, bündelt progressive Kräfte und setzt neue demokratische Regeln fest, auf neuen Wegen, mit neuen Gedanken.
Lasst uns den Mythos Europa weitererzählen. Nicht in den Phrasen des 20. Jahrhunderts, sondern als universelle Idee für morgen. Europa, das sind wir!
Bild: Steven P. Carnarius